Legacy - Originale hydraulische Zoom-Bremsen warten

Astroman

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Hallo Legacyfreundinnen und Legacyfreunde!

Die Wartung hydraulischer Bremsen ist kein Hexenwerk. Außer, dass es etwas ölig wird, ist sie relativ einfach und schnell zu bewerkstelligen. Gute Vorbereitung vorausgesetzt. Das Anschauen der einschlägigen Videos auf Youtube ist ebenfalls zu empfehlen. Das dann selber auszuführen, ist praktisch nocheinmal eine andere Sache🤔 Deshalb schrieb ich hier für euch mal meine Erfahrungen auf.

Wann warten
Vor jeder Fahrt wird man immer einen kurzen kräftigen Bremstest machen. Wenn der Bremshebelweg stimmt und sich die Betätigung des selben nicht schwammig anfühlt und der Roller nach kurzem angemessenem Bremsweg sicher zum Stehen kommt, ist erstmal alles i.O. Wenigstens alle (paar) hundert Kilometer sollte man genauer hinschauen, ob die Bremsbeläge von ihrer Dicke her noch deutlich zu sehen sind und schauen, wie weit die Bremszylinder links und rechts der Scheibe beim Bremsen zur Mitte hineinragen.

Kommt einem an irgend einer von den genannten Punkten etwas komisch vor, ist eine Wartung (dringend) anzuraten, denn die Zoom-Bremse kann recht plötzlich aussetzen. Von der Laufleistung kann man das nur bedingt abhängig machen. Bei mir mit meinen 80kg Körpergewicht waren an den Legacy-Bremsen auch nach 1.600km noch überall Bremsbeläge vorhanden, wenn auch in unterschiedlicher Dicke. Andere Escooter-Treff-Freunde zeigten schon Bilder von Belägen, die nach 800 Kilometern bis aufs Metall abgefahren wurden. Soweit muss es nicht kommen.

Wenn die Bremskolben wegen abgenutzter Bremsbeläge weit herausgedrückt werden müssen, reicht ganz offensichtlich der Ölvorrat im System nicht mehr aus, die benötigte Ölmenge bereitzustellen. Es gibt dann leere Räume im System und es beginnt sich Luft in die Hydraulikleitung einzuschleichen. Der Bremskolben am Griff wird bei nicht mehr ganz gefülltem Vorratsbehälter ab und zu Luft mit in die Leitung drücken. Alles zusammen kann wie bei mir zu einem relativ plötzlichen Versagen der Bremsen führen, auch wenn man keine herausgefallenen/gedrückten Kolben oder sonstige Undichtigkeiten ausmachen kann. Im diesem Absatz habe ich nur meine persönlichen Vermutungen wiedergegeben. Mit diesen Problemen vollhydraulischer (Zoom) Bremsen, wurde ich erst zusammen mit dem Legacy konfrontiert. Dass es auch andes geht, zeigt sich an meinem Mountainbike. Beim Stumpjumper PRO von SPECIALIZED ist die Ultimate verbaut. Damit hatte ich auch nach 10 Jahren noch keine Probleme, wie sie am Legacy nach 3 Minaten auftreten. Roller werden von der Industrie wohl immer noch als Spielzeug betrachtet. Und die verbauten Komponenten sind entsprechend. Qualität hat halt ihren Preis. Der Stumpjumper hat auch 3.000€ mehr gekostet. Kann man nicht vergleichen, aber die Hydraulikbremsen schon.

Fazit: Lieber auf Nummersicher gehen und öfter warten bei der ZOOM am Legacy, denn der zeitliche Aufwand ist nicht groß, wenn man einmal das benötigte Werkzeug und Material besorgt hat.

Vorbereitung, Werkzeug und Material
Video anschauen ist wichtig, wenn man sowas noch nicht gemacht hat. Und natürlich das Werkzeug-Set zum Befüllen/Entlüften vorher besorgen. Auch eine Flasche Hydrauliköl (muss nicht dieses sein) ist unerlässlich. Der Roller sollte waagerecht stehen. Eine erhöhte Montageplattform oder bei mir tur es ein stabiler stuhlsitzhoher Hocker ist hilfreich. Auch eine Unterlage gegen herabtropfendes Öl ist eine gute Sicherheitsmaßnahme. Mit ein wenig Geschick, fängt ein Lappen das wenige austretende Öl beim Auf- und Zuschrauben locker auf. Aber wenn immer alles glatt ginge…
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Passende neue Bremsbeläge sind sehr empfehlenswert.
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Siehe auch „Gekauftes Zubehör für meinen Legacy“ #26 und andere.


Ablauf Befüllen/Entlüften und Bremsbeläge tauschen
Zuerst den Bremssattel abschrauben und die Bremsbeläge entnehmen. Das würde ich immer machen, auch wenn „nur“ entlüftet werden soll. Die Gefahr ist zu groß, das die Beläge eingeölt werden. So kann man auch gleich zu Anfang den Gesamtzustand beurteilen und die notwendigen Schrittte einleiten. Dabei habe ich die Bremskolben mit dem Reinigungsmittel WD-40 eingesprühlt und vorsichtig bewegt, damit die mal wieder richtig leichtgängig werden. Anschließend wurde das WD-40 wieder fast restlos entfernt. Sollte mal ein Bremskolben aus der Führung rutschen, keine Panik. Man kann ihn einfach wieder reinstecken. Nur mit dem dann auslaufenden Öl muss man fertig werden. Das kann dann schon mal ein bisschen mehr sein. Da ist zügiges Reagieren von Vorteil um nicht alles Öl auf der Unterlge zu haben. Wirklich schlimm ist das aber nicht. Man braucht zum Auffüllen dann halt mehr Hydrauliköl.

Jetzt unbedingt den genormten gelben Abstandsklotz einsetzen und gegen Herausrutschen sichern. Die guten Klötze haben eine Bohrung in die man einen Sicherungsstift zum Festhalten einführen kann, wie bei den Bremsbelägen. Die einfacheren wie der aus meinem Werkzeugset haben eine Längsbohrung. Da passt ein Kabelbinder durch. Mit dem habe ich nach „leidvoller🤫“ Erfahrung den Klotz sicher befestigt. Benutzt man so einen genormten Klotz/Block hat man immer den passenden Platz für neue Bremsbeläge frei.

Diese beiden Schrauben öffnen das System:
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So lange man den Bremshebel nicht betätigt steht das System nicht unter Druck. Man kann also die Schrauben entnehmen und die Spritzen anschrauben, ohne Ölverlust. Es quillt nur wenig Öl beim Auf- und Zuschrauben aus den Öffnungen, dass mit einem günstug gehaltenen Lappen aufgefangen wird. Aber Achtung, ist die Schraube am Vorratsbehälter des Bremshebels offen, sollte man nicht auch die Schraube unten am Bremssattel lösen, da kann das Öl dann wie aus einer Wasserleitung herausfließen.

Im zweiten Schritt stellt man den Bremshebel waagerecht, damit sich nicht ungewollt eine Luftblase im System halten kann. Später wieder zurückdrehen. Oben benötigt man eigentlich nur ein Auffanggefäß, das von unten eingedrücktes Öl und die Luftblasen auffängt. Nur muss man ja irgendwann die untere Spritze wieder abschrauben und die Verschlußschraube einsetzen. Da muss das Auffanggefäß luft- und öldicht unten am Gefäß zugemacht werden können. Auch um es später mit noch darin befindlichem Restöl abzunehmen und die Öffnung zu verschließen. Ein Stößel mit Dichtring ist bei so einem Gefäß dabei. Es geht aber auch mit den Spritzen ganz gut.

Angeschlossen habe ich zuerst die Spritze für oben. Der Kolben wird ganz heruntergedrückt und zur Verbindung mit dem Anschlußstutzen nur mit einem kurzen Schlauchstück verbunden. So ist es oben dicht (nur sehr wenig Luft) und die Spritze kann von alleine ohne sie festzuhalten oben stehenbleiben. Die Luft steigt ja immer nach oben, dafür ist diese aufrechte Stellung der Spritze wichtig.

Die Einfüllspritze unten kann mann sich ruhig fast voll füllen. Was man nicht ins System hineingedrückt bekommt, bleibt letzlich in dieser Spritze und geht anschließend zurück in die Ölflasche. Nach dem Einsaugen aus der Ölflasche die Spritze wie beim Arzt mit der Öffnung nach oben luftfrei machen und an der Öffnung am Bremssattel anschrauben. Das bisschen Öl, was bei dieser Aktion dort austritt, kann mann auch hier locker mit einem Lappen auffangen. Auch ein bisschen hineingekommene Luft steigt beim Auffüllen schnell nach oben und kommt dort heraus. Achtung! Die beiden Verschlußschrauben oben und unten sind je mit einem O-Ring bestückt (ziemlich kleine Dinger). Darauf achten, dass die nicht wegkommen, sonst wird das System nicht wieder dicht.

Nun kann das eigentliche Befüllen/Entlüften beginnen. Mit der unteren gefüllten Spritze das Öl ins System drücken (geht leicht) bis in der oberen Spritze so um die 2cm Öl oder mehr drin sind. Der Kolben der Spritze schiebt sich alleine nach oben. Mit mehrfachem Bewegen des Bremshebels kann man das Öl von oben wieder nach unten pumpen. Beim Auffüllen und beim Pumpen sieht man in der oberen Spritze die Luftblasen aus dem Öl entweichen. Das kann man solange wiederholen, bis man sicher ist, das System befüllt und luftfrei zu haben. Sieht man dann. Mit dem Kolben der oberen Spritze lässt sich auch ein wenig Unterdruck erzeugen um die Entlüftung noch zu unterstützen. Den Kolben dann aber danach nicht mehr soweit in die Spritze schieben, dass die Luft wieder von oben ins System gedrückt wird. Wenn mans macht, merkt man was zu tun ist.

Zuerst nahm ich die obere Spritze wieder ab und setzte die Verschlußschraube ein. Mit dem Bremshebel pumpte ich vorher soviel Öl zurück, dass nur nich ein bisschen im Schlauch über der Öffnung verblieb. Das bisschen läuft dann beim Ab- und Zuschrauben weg (Lappen).

Im Schlauch der unteren Spritze befindet sich von mir eingesetzt eine Klemme. So kann man nach dem Ab- und Zuschrauben unten anschließend das ganze nicht benötigte Öl zurück in die Flasche tun.

Testweise kann man jetzt schon mal kräftig den Bremshebel betätigen und wird sehen, wie sauber der Druckpunkt funktioniert. Nun den Normklotz entfernen.

Nachdem auch das letzte Öl vom Bremssattel und den Bremskolben abgewischt wurde, kommt jetzt das Einsetzen der Bremsbeläge dran. Splint nicht vergessen. Den Bremssattel wieder aufsetzen und locker anschrauben sind fast schon die letzten Handgriffe.

Bei mir klappt es immer perfeht zum Justieren auf der Bremsscheibe einfach den Bremshebel fest zu drücken, und die beiden Befestigungsschrauben des Bremssattels handfest anzuziehen. Kurz prüfen ob was schleift und dann nochmal mit einem ordentlichen Sechskantschlüssel nachfassen.

Wir haben fertig😉

Damit sich die neuen Bremsbeläge und die Bremsscheibe aneinander anpassen, müssen die Bremsen nun noch eingefahren werden. Eigentlich bremsen die neu bestückten Bremsen schon von Anfang an recht gut, es verbessert sich durch das Einfahren aber noch etwas. Auch die leisesten Schleifgeräusche beim leichten Anbremsen verschwinden dann.
Einfahren heißt nur solange beschleunigen und abbremsen bis man zufrieden ist. Die Verbesserung der Bremskraft kann man wohl messen, aber für mich reicht der subjektive Eindruck voll aus.

Wenn die Bremsbelöge nicht -passen, werde sie passend gemacht. >np<
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Die Bremsbeläge nach 1.600km. Die verbliebene Dicke der Beläge reichte von einem bis zu 3,6mm. Vorne waren sie weiter abgefahren und das System versagte schon, obwohl noch Belag drauf war. An den Bremsscheiben ist noch keine Abnutzung zu sehen.
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Viele Grüße
Astroman
 

Flying Dutchman

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Vielen Dank für die Anleitung, die auch auf die meisten anderen ähnlichen Hydraulischen Bremsanlagen übertragbar ist.
 

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Legacy | 1S
Vielen Dank für deinen super Bericht. Es wurde alles schön verständlich beschrieben. Das Vorgehen kann auch auf andere Hydrauliksysteme angewendet werden. So ähnlich habe ich's bei meinen Bremsen auch gemacht. :)
 

Astroman

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Kleine Ergänzung zu #1

Für die nächste Wartung orderte ich zwei preiswerte neue Helferlein.
Oben benötigt man eigentlich nur ein Auffanggefäß, das von unten eingedrücktes Öl und die Luftblasen auffängt. Nur muss man ja irgendwann die untere Spritze wieder abschrauben und die Verschlußschraube einsetzen. Da muss das Auffanggefäß luft- und öldicht unten am Gefäß zugemacht werden können. Auch um es später mit noch darin befindlichem Restöl abzunehmen und die Öffnung zu verschließen. Ein Stößel mit Dichtring ist bei so einem Gefäß dabei.
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Das beschriebene Auffanggefäß.
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Der genormte Klotz mit Loch zum Sichern gegen ungewolltes herausfallen.
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Je ca. 4€.
 

Festus

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Jetzt steht bei mir auch die Bremsenwartung an. Dank der guten Beschreibung von Astromann bin ich guter Dinge. Es ist das erste Mal das ich seit ich ihn gekauft habe überhaupt was warten muß. Er läuft und läuft und... Wie er beschreibt kann die Bremse plötzlich nicht mehr bremsen, so war das bei mir heute, ist die Vorderbremse. Heute morgen alles OK und auf einmal nichts mehr.
 

Festus

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Musste nur die Bremskolben gangbar machen und alles OK. Entlüften musste ich nicht
 

Reiner. B

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@Astroman
So wie es aussieht sind am Legacy die gleichen Bremsen von ZOOM verbaut wie am Trittbrett Paul.
Welche Brems- oder Hydraulikflüssigkeit dort reinkommt konnte mir Google nicht sagen. Da du ja Shimano-Flüssigkeit verwendet hast, musst du die Info dazu gefunden haben.

Kannst du einen Link von der Flüssigkeit oder ein Bild von der Flasche einstellen? Ich werde demnächst die Bremsleitung nach hinten wechseln müssen, da wollte ich vorher die Flüssigkeit und evtl. eine neue Hohlschraube beschaffen damit das ganze zügig abläuft.
 

Wittimann

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So wie es aussieht sind am Legacy die gleichen Bremsen von ZOOM verbaut wie am Trittbrett Paul.
Welche Brems- oder Hydraulikflüssigkeit dort reinkommt konnte mir Google nicht sagen. Da du ja Shimano-Flüssigkeit verwendet hast, musst du die Info dazu gefunden haben.

Kannst du einen Link von der Flüssigkeit oder ein Bild von der Flasche einstellen? Ich werde demnächst die Bremsleitung nach hinten wechseln müssen, da wollte ich vorher die Flüssigkeit und evtl. eine neue Hohlschraube beschaffen damit das ganze zügig abläuft.
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Wittimann

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Also mein Google wirft mit dem richtigen Suchbegriff unzählige Treffer zu Bremsen und Co. raus. Es muss ja nicht unbedingt speziell für den Legacy sein, sondern für hydraulische Bremsen im Allgemeinen.
 

Toddquinlan

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