Rollermops
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Es ist wieder so weit, neuer Roller, neuer Akku. Da ich kein blutiger Anfänger in Sachen Akkubau mehr bin, kommt diesmal die geballte Ladung – alles auf einmal, von den ersten Skizzen bis zum fertigen Teil.
Inhaltsverzeichnis:
- Ziel des Projekts
- Off-Topic: von guten Akkus
- Von der Idee bis zur Zeichnung
- Zellen und BMS
- Putting it all together …
- Verstärkung der Bodenplatte
- … back to the drawing board
- Probefahrt
Ziel des Projekts
Ich möchte in etwa 100km mit meinem Ninebot Max in einer einzelnen Akkuladung packen können. Von meinem Pro 2 mit Aufmotz-Akku war ich 85km gewohnt; ein Rückschritt kommt für mich bei diesem Thema einfach nicht in Frage.
45km bei 15,3Ah soll der Max von Werk aus bringen. Dazu kamen bei mir recht schnell
„35km“ in Form von 13,8Ah hinzu, die in meiner Akkutasche transportiert werden. Letzteren Akku habe ich allerdings nicht selbst gebaut, sondern bei embedden.com gekauft. (Es gibt ihn aktuell nicht zu kaufen, vor allem zu keinem guten Preis ) Mit beiden Akkus zusammen (29,1Ah) habe ich auf dem Max 65km geschafft.
Damit wissen wir: 2,23km/Ah komme ich weit. Wer Mathe kann, weiß auch: ein 45Ah Akku ist mein Ziel!
Müsste ich heute noch einmal einen externen Zusatzakku kaufen, käme er vielleicht von https://scootermode.eu/pl/p/Dodatkowa-bateria-17250mAh-36V-do-montazu-w-torbie-/153
Es wird ja immer gefragt was empfehlenswert ist. Da allerdings mein jetziger Externer einwandfrei ist, schon über 4000km hält und sicher noch lange halten wird, ist derzeit kein Akkukauf geplant. Nur die Schrumpffolie musste ich einmal verstärken, die reibt sich nämlich langsam durch. Chinaschrott kommt mir definitiv NICHT ins Haus!
Von der Idee bis zur Zeichnung
Zunächst einmal habe ich den Stauraum im Trittbrett eines G30 ausgemessen. Nur so genau, wie ich es brauche: Die „Montageschienen“ sind nicht so einfach zu bestimmen und mich interessiert sowieso nur der Platz dazwischen. Darum habe ich sie (inkorrekt) einfach als „Kantenverstärkung“ modelliert.
In der Länge habe ich 364mm. Aber: Mehr Luft in Längsrichtung macht die Verkabelung ganz am Ende mit dem DRV einfacher. Es sollten schon noch 10mm übrig sein.
Nachdem ich einfach mal eine Reihe von möglichen, sinnvollen und vor allem durch-10-teilbaren Zellenkonfigurationen durchgetestet habe, bin ich schlussendlich bei einer 10s7p-Zellenkonfiguration mit 21700er Zellen verblieben. Bei solchen Abwägungsprozessen spielen eine Reihe von Faktoren eine Rolle:
- Passt es rein? (duh!)
- Ist ein Sicherheitsabstand zwischen allen Zellen möglich? Wenigstens zwischen Parallelgruppen? Generell: Design zur Risikominimierung
- Wie viel Toleranz/“Luft“ hat man? Zu viel sollte es aber nicht sein, alles soll an seinem Platz bleiben.
- Wie kompliziert/fehleranfällig ist die Verdrahtung der Zellen? Symmetrie und sich wiederholende Muster vereinfachen das Ganze.
- Reibstellen identifizieren und schützen.
- Die Grenzen des Produktionsprozesses der Zellenhalter: Bei mir der 3D-Druck.
- Die Strukturbreite muss mindestens 0.8mm betragen (Das ist 2x die Breite der Düse)
- Man kann nicht „in der Luft drucken“, die Teile sollen überhangsfrei sein
- Sekundenkleber klebt PETG-Druckteile sehr gut!
Am Ende ist es also eine „plattgedrückte“ Hex-Geometrie geworden. Damit ist die tatsächliche Packungsdichte zwar weniger als sie theoretisch hätte sein können, allerdings war in diesem praktischen Fall einfach in einer Raumrichtung (Länge) mehr Platz als in der anderen (Breite).
Bei folierten 21700er Zellen ergibt sich nun allerdings ein Abstand von nur 0.65mm zwischen den Zellen. Mit Trick 17 geht es dann aber doch.
Auf der engen Seite überschneiden sich Zellen und Halter theoretisch. Dafür ist die Wand aber nun 0.8mm breit und damit druckbar. Auf der Seite mit mehr Luft habe ich dafür eine „Tasche“ übriggelassen. Dort hat der Druckkopf auch Platz, um überschüssiges Plastik einzulagern. (z-seam: sharpest edge) In der Praxis verformt sich der Zellenhalter genau passend, wenn man eine Zelle hineinsteckt.
Die Zellenhalter sind als zusammengeklebter Zweiteiler ausgeführt. Auf der einen Seite gibt es Aussparungen für die Zellen, auf der anderen Aussparungen für die Nickelstreifen. Dazwischen ist ein absolut planer Flansch, der ganz von allein aufgrund eines spiegelglatten Druckbettes entsteht. Mit Sekundenkleber werden die Teile permanent aneinander befestigt.
Die Schwalbenschwanzpassung ist nur notwendig, weil mein 3D-Drucker zu klein wäre um den ganzen Zellenhalter auf einmal zu drucken. Die wird am Ende auch mit Sekundenkleber fixiert.
Zellen und BMS
Vom Meister selbst, dem Betreiber von embedden.com, wurden mir diese Zellen nahegelegt: https://eu.nkon.nl/lg-inr21700-m50-4850mah-7-3a-clear.html
70+1 Stück davon gab es damals (d. h. zu Beginn der Zellenpreisexplosion) für 266€
Auszug aus dem Datenblatt:
Max. Charge Current | 0 ~ 25℃ | 0.3C (1,455mA) |
25 ~ 50℃ | 0.7C (3,395mA) | |
Max. Discharge Current | -30 ~ -20℃ | 0.2C(970mA) |
-20 ~ 5℃ | 0.3C(1,455mA) | |
5 ~ 45℃ | 1.5C(7,275mA) | |
45 ~ 60℃ | 1.5C(7,275mA) | |
Unter 0°C fahre ich kein Roller mehr, und bis dahin schauen die Specs doch ganz gut aus.
Als BMS (Battery Management System) kommt ein China-Nachbau-BMS für den Ninebot Max zum Einsatz. Wie schon die BMSe von Xiaomi-Rollern ist auch dieses mit einem Datenport ausgestattet, welchen die Motorsteuerung erwartet. Ohne funktionierende Datenleitung kommt eine Fehlermeldung. Das Nachbau-BMS sieht optisch ganz ordentlich aus und macht den Eindruck, dass es der Aufgabe gewachsen sein wird. Es sieht dem Original zum Verwechseln ähnlich, vielleicht wurden Schaltplan und Software ja einfach direkt kopiert. Die Sicherungen hat man sich bei diesem BMS allerdings gespart; Sie wurden allesamt durch Metallbrücken auf der Platine ersetzt. (Pfusch!) Auch ist ein Datenblatt aufgetaucht, wonach das BMS nur 15A an Strom dauerhaft liefern kann. Das ist eigentlich zu wenig für einen G30, der durchaus dauerhaft bis zu 25A verbrauchen können soll. (Pfusch!) Nachgemessen habe ich nichts davon, wird schon schiefgehen. ¯\_(ツ)_/¯
Falls es dann tatsächlich schief geht, kann das BMS überbrückt und die Schutzfunktion stattdessen durch eine 30A-KFZ-Sicherung gewährleistet werden. Ansonsten hätte ich noch ein hochwertiges BMS von dem chinesischen Hersteller Daly auf Lager. Dann bräuchte ich allerdings zusätzlich ein Bauteil wie Rita, um die Datenleitungen zu emulieren.
XT-60 Stecker sowie Ladestecker waren nicht beim BMS dabei. Die musste ich selbst anlöten. Als Ladestecker darf nun ein ATX-CPU-Anschluss von einem alten PC herhalten. (Ja es passt, sogar idiotensicher; Pfusch?)
Putting it all together …
Als Nickelstreifen für die seriellen Verbindungen fiel meine Wahl auf 8mmx0,15mm. Diese sind gemäß
Beim Punkschweißen mit einem kWeld ist ein hoher Strom das A und O. Er sollte um die 1500A liegen, unter 1200A braucht man gar nicht erst anzufangen. Anschließend ermittelt man die beiden Grenzwerte für die Schweißenergie: beim niedrigen Wert lassen sich die Schweißpunkte wieder trennen, beim hohen Wert explodiert das Nickel unter den Elektroden weg. Die richtige Schweißenergie liegt genau dazwischen. Ich musste auch noch 2 mal die Elektroden neu spitzen.
Nach langen Schweißstunden mit kWeld und mit einer brandneuen (!) Autobatterie ist nun die Hochzeit!
Kaptonband, das orangene Zeug, ist quasi Paketband auf Steroiden. Es ist hauchdünn, hochfest und schmilzt nicht so schnell.
Es lebt! Erkennbar an der blau aufleuchtenden LED. Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich Kapton-Band mag? Das ist dann auch der wahrscheinlich letzte Blick, den je ein Mensch auf den „nackten“ Akku werfen wird. Als nächstes wird er nämlich in Geschenkpapier – äh, ich meine fish paper eingepackt. Dadurch wird der Akku sicher vom Alurahmen des Rollers mittels einer 0,5mm dicken Pappschicht isoliert. Darüber kommt noch weißes Schrumpf-PVC und Isoband zur Eck-Verstärkung. Hat auch einen netten Anti-Rutsch-Effekt. (siehe Intro-Bild)
Story Time!
Nach unzähligen bus-bar- und balance-wire-Lötungen ist mir mein billiger Lötkolben doch tatsächlich auf der Zielgeraden abgeschmiert! Nur noch Bat+ und Bat- mussten an das BMS gelötet werden. Was tun? Einen neuen Kolben bestellen und die ganze Zeit abwarten? Nee, nicht mit mir! Mit einem Gasbrenner zur Unkrautvernichtung und einer freundlichen dritten Hand konnte ich auch die letzten Lötstellen vollenden. Der Thermostat im Lötkolben funktionierte noch; ich konnte den Kolben also einfach so lange ins Feuer halten, bis die Betriebstemperatur von 400°C erreicht wurde. Dann schnell löten für etwa 10 Sekunden. Hat was von Tintenfass und Feder …
Verstärkung der Bodenplatte
Da der neue Akku nicht mehr an den Montageschienen befestigt werden kann, muss ein neues Haltekonzept her. Wie schon bei einem früheren Akkuprojekt mache ich mir wieder zu Nutze, dass der Akku ziemlich formfüllend ist und sich kaum mehr im Trittbrett bewegen kann. Daher gibt es keine extra Halterungen. Stattdessen wird das Trittbrett wieder einmal durch ein Blech verstärkt. Solche „Trittbrettschutz“-Bleche kann man auch fertig auf den einschlägigen Fernost-Handelsplattformen kaufen.
Aus Erfahrung weiß ich, dass Diese Bleche während der Fahrt auf die untere Plastikabdeckung des Trittbrettes schlagen und es darum nervige Klappergeräusche gibt. Mit eingeklebtem Dämmmaterial (mittig platziertes Moosgummi) kehrt Ruhe ein.
Die Schrauben des Trittbrettes sind an der Unterseite nun nicht mehr versenkt. Damit ist Vorsicht an Bordsteinen angesagt! Auch müssen diese Schrauben jetzt eine viel größere Last tragen. Das Anzugsdrehmoment in Alu ist begrenzt, man muss sich auf regelmäßiges Nachziehen der Schrauben einstellen.
… back to the drawing board
Beim Einsetzen des Akkus in das Trittbrett dann der Schock: Tja, passt wohl nicht!? Wer hätte denken können, dass die Trittbrettabdeckung doch etwas mehr als einen Millimeter in den Trittbrettkorpus hineinragt. Ich? Ein Abstandshalter muss her… Ah, da ist ja einer:
Noch nie habe ich in CAD so schnell etwas gezeichnet und anschließend auch gedruckt. Damit hat sich die Jungfernfahrt auch nur im einen Tag verzögert. Als neue Dichtung kam sorgfältig auf die glatte Seite des Druckteils geklebtes Isoband zum Einsatz. Hoffentlich ist das dicht …
Update: Ja, es ist hinreichend dicht. Nach mehreren Fahrten auf regennasser Fahrbahn und nach einer Gartenschlauchbehandlung war kein Wassereintritt festzustellen.
Die alten (originalen) Schrauben sind nun endgültig zu kurz. M4x14 Linsenkopfschrauben musste ich nachbestellen. Die sind dann nach dem Festziehen knappe 5mm tief drin im Gewindeloch.
Probefahrt
Am 01.06.2021 war es dann so weit: Die erste Fahrt bei sonnigen Abendstunden ist geglückt. Den (bzw. die beiden) Akku(s) habe ich in 4 Stunden nur von 41V auf 37V leeren können. Nun ist der Motor das schwächste Glied in der Kette.
Update: eine weitere Fahrt am 11.06.2021 brachte ein Ergebnis von 110km mit beiden Akkus. Am Ende der Fahrt waren noch 2 Balken von 5 auf dem Dashboard zu sehen. Ich schätze, dass mindestens 130km „drin“ sein müssten. Allerdings sind meine „Akkus“ von 5 Stunden herumstehen schneller leer als die vom Roller…
Schlusswort: Ich fahre nun mit 4,850*7+4*3,450 = 47,75 Amperestunden. Das sind 1,7 Kilowattstunden bei 36Volt. Das reicht für weit mehr als 100km. Projekt geglückt!
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