Sooooo, Freunde der gepflegten Unterhaltung - dann fang ich mal wieder an...
Ich habe den H20 gerade, frisch aufgeladen (inkl. üppiger Ladezeitzugabe für das abschließende Balancing), auf 3.5 bar aufgepumpt und bei teilweise stärkerem Wind (der sich ggf. leicht negativ auf die Reichweite ausgewirkt haben könnte), sowie schweißtreibenden Temperaturen von immer noch fast 30 Grad auf Herz und Nieren getestet.
Was soll ich sagen: eieiei..........viel Licht, aber auch einiges an Schatten und eine herbe Enttäuschung in Bezug auf eine mir persönlich besonders wichtige Kategorie, aber fangen wir mal bei den positiven Dingen an:
Der H20 lässt sich super schön und komfortabel fahren - das Fahrverhalten ähnelt sehr stark den bekannten, massiven Leihscootern, ist aber aufgrund der Vollfederung und Luftbereifung deutlich komfortbaler. Die vordere Federgabel-Dämpfung ist relativ hart eingestellt, was sich aber nicht weiter störend bemerkbar macht. Auf schlechtem Untergrung lässt er sich wirlich gut und sicher fahren - das macht Spaß!
Die Bremsen könnten etwas knackiger wirken - die vordere Trommelbremse musste ich zu Fahrtbeginn erstmal ein gutes Stück "schärfer" stellen,
verrichten aber zuverlässig und gut dosierbar ihren Dienst.
Der Scotex fährt erfreulicherweise echte 22 km/h - das GPS zeigte des öfteren sogar eine etwas höhere Geschwindigkeit an, er ist also mindestens genauso schnell wie der EPF-1 Pro - top!
Ich habe heute extrem viele Steigungstests gemacht, um die Leistungsfähigkeit des Scooters und dessen Limit auszuloten - bei beworbenen 27 Nm und über 1000W Peakleistung war die Erwartungshaltung im Vorfeld ja entsprechend hoch.
Die unzähligen, eher kürzeren Steigungen im Bereich von 15 bis ca. 20% spiegeln sich im Komoot-Profil nicht ansatzweise wieder, haben aber natürlich ordentlich an der Reichweite genagt, und diese lag heute am Ende trotz der ganzen Dauersteigungstests bei hervorragenden 37 km - gefahren praktisch bis zum Stillstand in der Ebene, also "verwertbare" 36.x km (ausschließlich im höchsten Fahrmodus), was bei einer offiziellen Herstellerangabe von 42 km ein super Wert ist!
So, jetzt zu den etwas unschönen Dingen...
Die Beschleunigung ist relativ unspektakulär und etwas behäbig, er kommt erst nach einer Gedenksekunde in die Gänge und dann auch eher gemächlich.
Die Steigfähigkeit (mein Steckenpferd)...ja, was soll ich sagen - im YT-Testvideo von Techniktests hat der Prototyp mit angeblich weniger Drehmment als die jetzige Serienversion den Slidefox am Berg klar hinter sich gelassen, die Realität sieht jetzt aber leider komplett anders aus:
der H20 liegt steigleistungsmäßig etwa auf Niu KQi3 Pro-Niveau - maximal einen Tick darüber (wenn überhaupt), der Slidefox ist dagegen deutlich stärker, und der VX2, Paul oder SO4 Pro hängen den Neuling an stärkeren Steigungen einfach nur gnadenlos ab.
Der Unterschied an meinem Hausberg mit bis zu 18% auf schlechter Fahbahn liegt bei 3 km/h zum Slidefox, Exit-Crross, Driveman Country oder Legend und bei 6 km/h zu VX2, Paul oder SO4 Pro.
An einer ~20% Steigung fällt der Scotex auf 5 km/h ab, wo die oben genanten mit mindestens 10 km/h hochziehen - das ist eine ganz andere Leistungsklasse!
Der Scotex ist ein Arbeitstier - an den steilsten Stellen heute ist er mit deutlich hörbarem Motorächzen bis auf 2-3 km/h eingebrochen, hat sich danach aber wieder gefangen und sich wacker langsam hochgekämpft.
Die effektive Steigfähigkeit vom H20 würde ich mit einem 75-80 kg-Fahrer - wie beim Niu auf maximal 20% taxieren, die anderen Powerscooter liegen teilweise noch deutlich darüber, und so habe ich meine extremsten Steigungen von um die 25% heute gar nicht erst probiert, um dem Scotex die Schmach zu ersparen, die ihm nicht gebührt. Schließlich will er nicht der Stärkste sein, sondern einfach nur (überdurchschnittlich) stark, und das ist er definitiv. Insofern war ich zwar zunächst etwas (negativ) überrascht, letztendlich aber nicht enttäuscht, da er in Summe ein wirklich gelungenes Produkt ist, und man bei 7xx€, die ich noch bezahlt hatte, andere Maßstäbe anlegen muss als bei einem selbsternannten High-End-Scooter zu einem deutlich höheren Preis.
Aktuell hängt der H20 mit dem leistungsstärkeren Paul-Ladegarät zum Nachtanken an der Steckdose und sollte in knapp 3h wieder rappelvoll sein.
Fazit: Der Scotex H20 ist insgesamt ein sehr guter Allrounder, aber nicht der Überflieger zum Schnäppchenpreis für den ihn sicherlich viele gehalten haben. Für den akutellen Preis von 849€ würde ich ihn allerdings nicht mehr empfehlen und lieber zum gerade mal 20€ teureren Slidefox raten, der mit seiner guten Vorderradfederung ebenfalls knapp 22 km/h schafft, aber deutlich zackiger beschleunigt, weiter kommt und noch eine ganze Ecke stärker ist.